Das Evangelium (griechisch: Gut-Botschaft)

Was weiß man von der Entstehung der Evangelien und diesem neuen Genre?

Die Bibel selbst: Der Evangelist Lukas (1,1-2) misst den Augenzeugen unter seinen Quellen höchste Priorität zu. Ebenso fallen die "Diener des Wortes" auf, die Hyperétai (Helfer). Zur Zeit des NT werden mit dem Wort vor allem Tempelpersonal, Synagogendiener oder Bedienstete von Königen oder Richtern bezeichnet. Hier meint es offensichtlich die, die schon vor Lukas schriftlich das Evangelium Jesu verbreitet haben. Interessanterweise taucht dieses Wort wenig später in Apg 13,5 auf. Dort wird Johannes Markus, der Schreiber des Markusevangeliums schlicht als Hyperétes bezeichnet, nicht als Helfer des Paulus oder Barnabas, sondern schlicht in einer Weise, wie man es nur erwartet, wenn das Wort mittlerweile zu einer Art Titel bzw Qualifikation geworden ist. Der Tradition nach ist vor allem das Markus-Evangelium eine Mitschrift der Predigten des Petrus, den Johannes Markus schon in Jerusalem getroffen hatte, den er aber dann nach Rom begleitete. Teile des Evangeliums wird er aber schon gesammelt haben, als er mit Paulus und Barnabas durch Kleinasien zog als "Diener des Wortes".

Die Kirchenväter: Dazu ist natürlich viel zu sagen. Ein Spruch von Justin, dem Märtyrer, ist da sehr bekannt: Die Evangelien sind die Erinnerungen der Apostel.

Heutige Papyrologie: Carsten Peter Thierse und Matthew d'Ancona zeigen, dass das Matthäusevangelium bereits kurz nach 60 in Kodexform existierte, also in der zweiten Form nach der Schriftrolle. Das heißt: die meisten Zeugen Jesu, seiner Worte, Taten und des Auferstandenen selbst, leben noch und hätten so ein Exemplar in den Händen halten können. Abweichungen von dem, was die Zeugen erlebt hatten, sind um so geringer, je näher an den Ereignissen die Verfassung des Textes heranrückt. Papyrologen sagen also ca 20 Jahre im Unterschied zum gemeinen deutschen Mainstream-Theologen, der ungefähr 50 Jahre für Mt ansetzt. Die Evangelisten wollen die Fakten darlegen, wenngleich sie sich auch die Freiheit herausnehmen, den Stoff im Stil der antiken Schreibtechniken zu strukturieren. Aber die Fakten beanspruchen selbst für das Johannesevangelium das Zeugenwissen derer, die dabei waren. (vgl zu diesem Absatz: Thiede/ d'Ancona, Jesus-Papyrus, 258ff).

Matthäus ordnet sein Evangelium so, dass Parallelen zu Moses aufscheinen. Die Reden der Bergpedigt erscheinen als Parallele zum Berg Sinai und der Gabe des Gesetzes.
Markus Die Tradition sagt, dass es vor allem Predigtmitschriften des Johannes Markus sind aus der Zeit, da er als Sekretär des Petrus mit diesem unterwegs war. Es enthält Hinweise auf die Person des Petrus, die für ein Evangelium eigentlich irrelevant sind und sich nur bei Markus finden, (...fanden nicht mal Zeit zum Essen), die durch archeologische Befunde aus dem Petrusgrab gestützt werden.
Lukas ordnet die Stoffe (Evangelium und Apostelgeschichte) wie eine Wallfahrt nach Jerusalem und dann nach dem christlichen Urknall aus Passion bis Pfingsten hinaus in die ganze Welt an. Er neigt dazu Schwächen der Apostel zu entschuldigen und Dinge wegzulassen, wo sie etwas zu menschlich aussehen. Er hat aber in seinem Sondergut besonders beeindruckende Aspekte der Barmherzigkeit Jesu.
Johannes Seine Darlegung des Stoffes in drei Jahren entspricht wohl am ehesten den historischen Fakten. Die anderen drei Evangelisten drängen die Ereignisse scheinbar zu einem Jahr zusammen. Johannes greift aber am massivsten durch eine Auswahl von Zeichen Jesu in den historischen Ablauf ein. Er schildert kein Zeichen (er nennt sie nie Wunder), ohne nicht lange zu erklären, was das mit der Botschaft Jesu zu tun hat. Er bringt auch von allen drei Evangelisten das exakteste Wissen über Geographie und Feste der Juden mit in sein Evangelium ein und ordnet die Zeichen und Reden Jesu diesen Festen zu. Zwischen Lukas und Johannes gibt es einige nicht ganz geklärten Zusammenhänge.

Vier Lebewesen voller Augen (Ez 1,5-28; Offb 4,6f) werden als Symbole für die Evangelien verwendet.
E - Der Engel/Mensch ist Symbol für Mt, weil es mit dem Stammbaum des Menschensohns beginnt
L - Der Löwe ist Symbol für Markus, weil im Anfang des Evangeliums der Rufer aus der Wüste wie ein Löwe seine Stimme erhebt für den Löwen von Juda.
S - Der Stier ist ein Symbol für Lukas, weil sein Evangelium damit beginnt, dass Zacharias im Tempel ein Opfer darbringt.
A - Der Adler ist ein Symbol für Johannes, weil sein Evanglium im Prolog mit der Schau aus Gottes Perspektive beginnt.