Wenn mir jemand etwas Böses tut, bin ich vielleicht in der Lage, ihm zu verzeihen. Wenn jemand meinem Bruder etwas antut, ist das schon schwieriger, wenn ich statt seiner dem Sünder verzeihe. Sündigt aber jemand gegen Fremde, ist es anmaßend und arrogant, wenn ich als Unbeteiligter Verzeihung gewähre. Alles Böse, was Menschen tun, denken oder wollen beleidigt auch Gott, weil Er - unser Ursprung - uns und allem innerlicher ist, als wir selbst. Darum kann nur Gott Sünden verzeihen, die wir taten. Jesus aber nahm dies für sich auch in Anspruch. Dieses Tun war einer der Gründe, warum die Juden Jesus kreuzigen ließen; denn dieser Anspruch bedeutete, daß Jesus Seine Gottessohnschaft nicht nur analog verstand. Was aber geschieht durch die Sündenvergebung?
Sünde ist ein Kommunikationsabruch, wenigstens mit Gott. Sünde zerstört auch immer etwas. Wenn wir davon hören, wie Menschen andere knechten, wie Kinder sexuell oder wirtschaftlich mißbraucht werden, wenn all das Übel an unser Ohr dringt, dann schreit etwas in uns nach Vergeltung oder mindestens nach Gerechtigkeit. Das darf doch nicht sein, daß die das ungestraft tun können!
Gott der gerechte und barmherzige Richter "steht da vor einem Problem". Er hat zwar alle Macht, wann immer Er sie braucht und kann darum langmütig sein und den Sündern Zeit geben, ihr falsches Tun zu erkennen und umzukehren. Aber der Gesetzgeber kann den Sünder nicht ungestraft gehen lassen. Oder wie Thomas von Aquin es einmal ausdrückte: "Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit. Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit aber ist die Mutter der Auflösung." Gottes Lösung ist absolut gerecht und genauso unüberbietbar barmherzig. Er verurteilt den Sünder und trägt selbst schuldlos die Strafe in Jesus, Seinem geliebten Sohn (1Petr 2,22-25; Röm 5, 8. Kol 1,14:), der aus Liebe zu uns freiwillig ans Kreuz ging, starb und auferstand. "Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden." (Joh 8, 36:) "Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei." Es ist kein billiges "nix passiert", sondern der höchste Preis, um den wir frei gekauft wurden. Das Einzige, was wir noch tun müssen ist, diese Versöhnung durch unser Vertrauen auch anzunehmen und so heil zu werden.
Eine Geschichte zur Verdeutlichung: Zwei gute Freunde verloren sich nach dem Studium aus den Augen. Der eine wurde Richter, der andere Dieb. Eines Tages sah der Richter seinen Freund wieder - auf der Anklagebank. Die Beweislage war klar. Der Übeltäter geständig. Der Richter verurteilte den Angeklagten gemäß des Rechtes und zu einer angemessen, sehr hohen Geldstrafe. Diese Summe hätte sein Freund aber nie aufbringen können. Nach dem Prozeß legte der Richter sein amtliches Gewand ab, kam zu seinem Freund und beglich für ihn aus seiner eigenen Tasche die Schuld des Freundes. (Nicky Gumbel, Fragen an das Leben, 49f, Projektion J, Asslar, 1993 (jetzt: Gerth Medien).
Gott aber hat das für uns getan, als wir noch Seine Feinde (als Sklaven der Sünde) waren (vgl Röm 5,6-11). Und Er hat nicht Reichtum eingesetzt, sondern Sein eigenes Herz, Jesus Seinen geliebten Sohn. Damit hat jetzt jeder von uns die Chance, neu anzufangen. Diese unüberbietbare Liebe ist übrigens der Sinn der katholischen "Herz Jesu Verehrung".