P. Adrian Kunert SJ

Informationen zum Jesuitenmord

update Januar: Wie sich in den letzten Tagen aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hören ließ, scheinen sich einige Vermutungen zu bestätigen. Die Morde sind demnach wahrscheinlich nicht von offiziellen politischen Kreisen und auch nicht von offiziellen bzw halboffiziellen kirchlichen Kreisen ausgegangen, sondern - wie vermutet von pseudo-orthodoxen nationalistischen Kreisen, die nach bewährtem Strickmuster die "nichtrussischen" Gruppierungen aus Russland entfernt sehen möchten. Die sitzen eben auch in den niederen und mittleren staatlichen Stellen und "pflegen dort undichte Stellen gegenüber den Medien auszubilden".

Auch noch eine (zumindest für mich) neuere Info zu Viktor. Er genoss höchstes Ansehen unter den russischen Katholiken. Aus Lateinamerika hatte er die "Option für die Armen" im Sinne der Befreiungstheologie mitgebracht. Darum lud er des öfteren auch Arme zum Essen mit in die Kommunität ein. Das wußten auch die, die den Mord geplant hatten. Wie zu erwarten steht, wird der Mörder bald bei irgendeiner Amnestie wieder entlassen und "ist dann um eine kleine Datscha (kleines Wochenendhäuschen) reicher."

Russische Gerichte oder die Fähigkeit zur Aufarbeitung von Straftaten mit politisch-nationalem Hintergrund.

Rheinischer Merkur Artikel vom 27. Nov 2008

31.12.2008: Wie sich langsam herauskristallisiert, sind die treibenden Kräfte hinter dem Mord an den Mitbrüdern fundamentalistisch- orthodoxe Kreise, denen die Dialogpolitik der offiziellen orthodoxen Kirche schon zu weit geht. Es sind dieselben Kräfte, die schon den russischen Priester Alexander Men ermordet haben, und die nun auch die Spaltung der Orthodoxie in Russland betreiben. Der Martyrer Victor Betancour fiel ihnen wahrscheinlich deshalb auch so negativ auf, weil er sich besonders stark um die Armen in Russland gekümmert und mit ihnen gegessen hatte, in guter Tradition der Theologie der Befreiung.

offener Brief von P. Mertes an den russischen Botschafter
Bilder von der Mahnwache der Jesuiten und ihrer Freunde vom Donnerstag, den 6. November 2008, von 16.00-17.00 Uhr vor der russischen Botschaft.
During our prayer picket (over 200 friends of our Society came spontaniously after two days of email informations) in front of the Russian embassy Fr. Vitus Seibel SJ the former tertianinstructor said about murdered Fr. Messmer: "I know him since years. He did his 30-day-retreats during our tertianship and his anual retreats, and I testify: Otto was a man with a pure heart." I studied with Victor during my time in Frankfurt. He too, was a good guy.
Berliner Morgenpost zur Mahnwache.
Hier auch die SJ Homepage zu neueren Entwicklungen zB die Presseerklärung vom 10.11.2008 oder auch Infos aus dem Canisius Kolleg

Die ersten Informationen auf Englisch Mail on sunday oder here: This very informativ page will inform you about news and personal testimonies in english.

Hintergrundinformationen

Wir betreiben seit ein paar Jahren ein kleines katholisches Institut in Moskau, wo wir Katecheten ausbilden. Ein Mitbruder aus Ecuador, mit dem ich zusammen in St. Georgen studiert habe (Viktor Betancourt), unterrichtete dort seit etwa einem Jahr in Moskau. Er wurde zuerst umgebracht. Zwei Tage später kehrte der Regionalsuperior Russlands von einer Auslandsreise zurück. Die Mörder haben zwei Tage in der Wohnung gewartet bis er da war und ihn dann ebenfalls brutal erschlagen. Am Tag darauf (28.10.) lies ein Mitbruder die Wohnung aufbrechen, weil Viktor nicht zu seinen Terminen kam und auch auf Anrufe nicht reagierte.

Mittlerweile streuen russische (gleichgeschaltete) Medien durch ihre Zusammenarbeit mit "Indiskretionen" aus Ermittlerkreisen "informiert" das Gerücht, die beiden seien während einer Alkohol- und Sexorgie am selben Tag erschlagen worden. Man hätte benutzte Kondome und Mengen an leeren Vodkaflaschen gefunden. Die "Beweise" waren so liebevoll zusammengestellt wie zu besten Kommunistentagen. Es ist schon interessant, wie russisch man sich Südamerikaner ausmalt. (Eine kolumbianische Variante solch eines Rufmordes wäre zum Beispiel: man erschießt einen Zivilisten, legt ein Gewehr daneben, macht ein Photo und schreibt in der Zeitung: "Guerillero im Kampf getötet".)

Das Folgende sind nur meine Vermutungen:

Ich vermutete den Grund des Mordes im Bestreben von nationalistisch-orthodoxen Kreisen, alle nichtorthodoxen Glaubensgemeinschaften in Russland auszudünnen. Wo das nicht mit legalen Mitteln geht (Visumsentzug etc.) nutzt man halt andere Möglichkeiten. P. Otto Messmer SJ war aber russischer Staatsangehöriger und ihn hat man nicht einfach vor die Tür setzen können. Dazu passt, dass allein im Jahr 2008 in Moskau von diesen Kreisen über 100 Morde verübt worden sind. "Russland den Russen" ähnliche Sprüche kennen wir ja auch aus der deutschen Geschichte; und was daraus wurde auch.

Denkbar ist auch ein Zusammenhang mit den Geldern, die die beiden für Renovabis verwalten. Die Mafia versucht ja auch in Russland Gelder zu erpressen. Die Mitbrüder könnten sich geweigert haben, Gelder für Schutzgeldzahlungen o.ä. zu mißbrauchen und könnten deshalb ermordet worden sein. Durch die Verquickungen von Ermittlungsbehörden und Mafia würden diese Untersuchungen auch nicht unterstützt. Manchmal wird aus diesen Kreisen bewußt eine Prostituierte oder ein Prostituierter auf kirchliche Mitarbeiter angesetzt, um sie später zu verleumden. P. Mertes erzählte, dass auf der Beerdigung von P. Otto Messmer SJ einer der Teilnehmer diese gängige russischen Praxis bestätigt habe, die er an der eigenen Person erlebt hatte.

Aber wie gesagt, die letzten beiden Absätze sind nur Vermutungen. Dafür habe ich keine Beweise.