P. Adrian Kunert SJ

Urlaub in der Ukraine vom 10. bis zum 23. Juli 2010


Do, 22.7. Lemberg und der Reiseschluss (Bilder)

7h30 Messe in Deutsch mit der Lesung (Hld 3,1-4a) auf ukrainisch. Die meisten Mitbrüder hier im Haus gehören dem griech-kath. Ritus der katholischen Kirche an. Dazu einige Lieder aus dem XPRAISE, englische Predigt von Stefan - war cool.

Der Scholastiker Andrej ist ein waschechter Lemberger. Unser Weg führte uns vorbei an der Kirche St. Nikolaus, die noch am alten Zentrum der Stadt gelegen war, wo auch die erste Synagoge stand, hin zur ältesten Kirche der Stadt "Johannes der Täufer", von der aber nur die Grundmauern wirklich noch alt sind - angeblich aus dem Jahr 750 nC. Die Kirche soll Teil des Ensembles des Hofes hier gewesen sein.

Historisch greifbar wird Lemberg erst Ende des 13. Jahrhunderts, als der galizische Ruthenenfürst Danilo für seinen Sohn Lew (= Löwe). Allerdings stammt aus einer Zeit kurz später eine Meldung auf, die schon eine große Stadt voraussetzt. Von einem Stadtbrand wird berichtet, dass der Schein der brennenden Stadt noch in einer Entfernung von 100km zusehen gewesen sei (es steht natürlich nicht 100km, sondern der Name einer Stadt, die ich mir nicht merken konnte, sondern nur die km-Angabe. Als die Rus im ersten Mongolensturm arg gebeutelt wurde, nutzte der polnische König die Gelegenheit Mitte des 14. Jhds sich die östlichen Gebiete der Kiewer Rus einzuverleiben. Er verlieh der Stadt die Magdeburger Stadtrechte. Alteingesessene Ruthenen (aus ihnen entwickelten sich Ukrainer und Russen), Siedler aus deutschen Landen, Juden und Armenier, die nach dem verheerenden Erdbeben von Ani 1319 verstärkt in diese Gegend strömten, gaben der Stadt ein neues Gesicht und führten sie zu neuer Blüte. In diesen ersten zwei Jahrhunderten war die Amtssprache noch deutsch. Als aber nach der ersten polnischen Teilung 1772 Galizien an Österreich fiel, war die Amtssprache schon polnisch. Zwar versuchte FraJo II. auch hier wieder deutsch einführen, aber das setzte sich nicht durch, zumal die Beamten meist aus Polen kamen. Emotional gehört für die Polen Lemberg wie Wilna zu den schmerzlich vermissten Ostgebieten, denn hier fand ein großer Teil ihres kulturellen Lebens statt. Naturgemäß empfinden die Ukrainer, die nach dem Mongolensturm nie wieder wirklich lange unabhängig waren, und auch von der polnischen Minderheit diskriminiert wurden, das anders. Hier in Lemberg wurde noch unter der Polenherrschaft die eine Universität gegründet, die heute die älteste der Ukraine ist. Beredtes Bespiel für die unterschiedliche Sicht auf die Geschichte ist der Friedhof, wo die Polen ein gewaltiges Mahnmal errichteteten im Andenken an ihre Toten der Unruhen von 1900. Die Ukrainer waren natürlich über diese Geschichtskliterei wenig erbaut und klotzten ihrerseits ein gewaltiges Monument mit dem Erzengel Michael darauf vor die polnische Anlage. Aber Gott sei dank ist im Durchgang nun eine Tafel angebracht, die einen versöhnlicheren Ton von polnischer und ukrainischer Seite anschlägt. Heute ist Lemberg Sitz von fünf Erzbischöfen, des Griechisch-Katholischen, des Lateinischen, des Kiewer Patriarchat, der Autokephalen Kirche und des Moskauer Patriarchates.

Wir besuchten nach der "ältesten Kirche", das Basilianerkloster, die Armenische Kirche, den Stadtturm, von dem aus man einen guten Rundumblick über die Stadt hat. Heute war auch das Wetter dafür besser geeignet. Anschließend besuchten wir die St. Georgs Kathedrale, Sitz des griechisch-kath. Erzischofs von Lemberg. Hier findet in dieser Woche die erste Priesterweihe eines Jesuiten nach dem 2. Weltkrieg statt, andere werden folgen. Die Ikonostase in der Kathedrale finde ich eine gelungene Synthese aus klassisch orthodoxer Ikonostase und Barocker Architektur. Sie wirkt so transparent und leicht. Leider war innen das Photographieren nicht gestattet. Ich fand aber auf YouTube ein kleines Filmchen.

Dann besuchten wir Michailo im JRS-Haus, wo er gerade Magisterium macht. Das ist in der Jesuitensprache ein ca zweijähriges Praktikum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten. Es ist sehr schön und menschlich, wie man hier mit den Flüchtlingen umgeht und ihnen eine Chance auf ein neues Leben oder zumindest auf ein ordentliches Verfahren gibt. Leider können wir uns das finanziell in Mitteleuropa nicht in diesem Maße leisten.

Abendessen, Packen und Abfahrt. 19 Stunden Heimfahrt mit Umstieg in Breslau waren am Freitag 19 Uhr zuende. Es war ein schöner Urlaub mit neuen Erkenntnissen über ein nahes und doch so fernes Land. Eine melancholische Stimmung nehme ich mit, die ich irgendwie in dem Land gespürt habe, aber eine mit einem hoffnungsvollen Blick in eine noch ungewisse Zukunft.

nicht weiter zum Fr, 23.07.

Sa 10; So 11; Mo 12; Di 13; Mi 14; Do 15; Fr 16; Sa 17; So 18; Mo 19; Di 20; Mi 21; Do 22

extra Bilder vom archäologischen Museum in Odessa und dem Friedhof in Lemberg